Samstag, 12. April 2014

Frühling am Oranienplatz




Kreuzberg.JS In Kreuzberg ist Frühling. Die Sonne scheint, nur große Wolken drohen noch mit Schauern.
Die Beeten am Oranienplatz sind geharkt. Hinter den Raubtierkäfiggittern der Umzäunung grünt die neuangelegte Rasenfläche. Ordnungsdienst und Stadtgärtner der Stadt Berlin müssen sich angesicht der frühlingshaften Pracht überschlagen haben. Mitten im umzäunten Terrain steht einsam und verschlossen ein oranger Container, „Infopoint“. Ungehindert fliesst der zähflüssige Verkehr mit der M29 und etlichen Autos ungehindert dran vorbei. Um die Ecke hat der grüne Grandseigneur sein Wahlkreisbüro.
Wundersam verschwunden wie der Winter sind die Zelte, Hütten und Baracken des Protestcamps, die bis vor ein paar Tagen auf die Malaise der Flüchtlingssituation in Deutschland mit Plakaten, Bannern und Transparenten hingewiesen haben. Lediglich auf der anderen Seite des Platzes in Front des merkwürdigen 70er Jahre-Springbrunnenobjektes hat sich eine Gruppe mit Schildern versammelt. Sie stehen solidarisch im Hungerstreik mit Napuli, der letzten Besetzerin des Oranienplatzes.
Und tatsächlich in den frischgrünenden Wipfeln einer alten Platane hockt in einem wackligen Nest aus Decken eine junge Frau. Unter ihr lagert ein Rudel Polizisten. Acht Polizeiautos säumen die Bordsteinkante des Platzes. Diejenigen der schätzungsweise siebzig Polizisten, die nicht direkt vor dem Baum stehen haben sich über den Platz verteilt. Wahrscheinlich ist es im Rest der Hauptstadt gerade besonders geruhsam, sodass dieser imposante Einsatz an einem so schönen Platz bei dem guten Wetter zu rechtfertigen ist für eine kleine Frau.

Man müsste im Sportunterricht schon ausgesprochen guter Leichtathlet gewesen sein, um der Frau über diese Weite der nächstmöglichen Distanz einen Apfel oder eine Wasserflasche zukommen zu lassen. Gut zehn Meter vor dem Polizeiaufgebot delektieren sich etliche Menschen an dem Schauspiel, sitzen in komfortablen Campingstühlen oder stehen direkt hinter der Kamera mit Stativ, bereit den kostbaren Moment festzuhalten, wenn Napuli aufgibt, runterfällt oder vielleicht doch runtergeholt wird. Als findiger Gastronom hätte man in dieser beschaulichen Idylle bestimmt mit einem Eiswagen, Erfrischungsgetränken oder einer mobilen Bratwurstbude guten Umsatz machen können.

In der U-Bahn war heimlich über die Schulter hinweg in der Hofberichterstattung von einem dieser simpleren Berliner Tageszeitungen zu lesen, welch Stolz einen Berliner Senator der SPD  überkam, den Mut aufzubringen, den Oranienplatz jetzt räumen zu lassen.

Zweieinhalb Kilometer vom Oranienplatz entfernt wurde vor ein paar Tagen im Martin Gropius Bau eine Ausstellung des chinesischen Künstlers Ai Weiwei eröffnet. Es überkommt einen ein Gefühl der Wärme und Behaglichkeit zu diesem Künstler hin und wieder zu lesen, dass ein Staat Kritik und Protest aushalten können muss.

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